Der Diogenes Verlag hat das ungekürzte Buch “Deutsche Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts” von Achim Höppner (die Synchronstimme Clint Eastwoods) einlesen lassen und es in acht Hörbücher aufgespalten, die jeweils einen wichtigen Abschnitt in der deutschen Geschichte repräsentieren.
Hier ein zentrales Zitat des dritten Hörbuches “Achtzehnhundertachtundvierzig (1848 – 1861)”, aus Deutsche und Französiche Revolution
Man sagt, die Revolution hätte im Jahre 1848 in Deutschland siegen können, wenn sie dann und dann das und das getan hätte.
»Was sind nun aber das überhaupt: “Revolutionen”? Ist es wünschenswert, daß es sie ab und zu gebe, und ist ihr Sieg wünschenswert? Man darf dieser allgemeinen Frage nicht aus dem Wege gehen, wenn man über die eben berichteten Ereignisse sich ein Urteil bilden will.
Nach der Marxschen Lehre müssen Revolutionen periodisch vorkommen. Und zwar immer dann, wenn die Macht der Produktionsmittel zu groß geworden ist für den Apparat, innerhalb dessen sie wirken; anders ausgedrückt, wenn die politisch und wirtschaftlich herrschende Klasse ihre Aufgabe nicht mehr bewältigt … Dieser Marxsche Revolutionsbegriff hat nur einen geringen Teil Wahrheit, die wirkliche Geschichte geht in seiner Theorie nicht auf. Allerdings gibt es so etwas, wie sozial oder wirtschaftlich bestimmte »Klassen«; aber sie sind längst nicht die geschlossenen und klar voneinander abgegrenzten Gruppen, die Marx in ihnen sieht. Auch kommen sie nicht so plötzlich an die Macht und treten nicht so plötzlich von ihr ab. Der Aufstieg des europäischen Bürgertums ist ein sehr langwieriger Prozeß, der sich bis ins Mittelalter zurückverfolgen läßt. … Notwendig ist in der Geschichte Veränderung, Reform, Anpassung des Rechts an neue wirtschaftliche und moralische Bedingungen. Revolutionen als blutige Dramen, plötzliche gewalttätige Gesamtumstürze sind weder notwendig noch wünschenswert. Sie führen auch nie zu dem, wozu sie nach der Idee ihrer Antreiber führen sollten. England zum Beispiel ist bis zum heutigen Tag ohne Revolution ausgekommen, obwohl es an sozialen Veränderungen dort wahrlich nicht gefehlt hat. … Die Französische Revolution war nun ein so ungeheuer dramatisches, eindrucksvolles Ereignis, daß sie Politik und Geschichtsauffassung noch in der Mitte des neunzehnten Jahrhunderts wesentlich beherrschte. Marx und Engels haben ihre ganze Theorie der Revolution auf ihr aufgebaut. Sie taten zwar so, als ob sie sehr viele Beispiele für ihre Theorie hätten, aber es ist kein Zufall, daß sie immer wieder dasselbe eine wählten, denn ein anderes hatten sie eben in Wirklichkeit nicht. «
Golo Mann
Aber auch ein Zitat paraphrasiertes Zitat von Johann Gustav Droysen aus den 50er Jahren des 19. Jahrhunderts:
»Die europäischen Staaten sollen sich nicht überschätzen. Sie sind klein geworden. So wie zu Beginn des 16. Jahrhunderts ein europäisches Staatensystem entgegen und über dem alten italienischen, so entsteht jetzt ein Weltstaatensystem; im Vergleich mit ihm wird Europa sein, was damals Florenz, Mailand, Venedig im Vergleich mit Spanien, Frankreich, England waren. Da ist das »maßlos wachsende demokratische Nordamerika«; da ist »das ungeheure kontinentale Rußland mit seinem cäsarischen Absolutismus«, da ist das Britische Reich, da wird bald China sein. Diese Giganten werden in Zukunft um die Herrschaft über die Erde fechten. »Es ist schon erkennbar, daß zwischen Nordamerika und Rußland, zwischen China und England ein ganz anderer Gegensatz der Lebensprinzipien ist, als in der verschliffenen, in ihren Kristallisationen immer wieder gestörten Völker- und Staatenwelt des alten Europa.« England weiß das. Daher bewegt es sich so behutsam. Es muß als Weltmacht auf dem Posten sein und darf sich nicht an Europa verlieren. . « Golo Mann