by Maxim Biller
KLAPPENTEXT
Die Welt der russisch-jüdischen Familie aus Hamburg, um die es in Maxim Billers neuem Roman “Mama Odessa” geht, ist voller Geheimnisse, Verrat und Literatur. Wir lesen aber auch ein kluges, schönes und wahrhaftiges Buch über einen Sohn und eine Mutter, beide Schriftsteller, die sich lieben, wegen des Schreibens immer wieder verraten – und einander trotzdem nie verlieren. Biller spannt einen Bogen vom Odessa des Zweiten Weltkriegs über die spätstalinistische Zeit bis in die Gegenwart. Alles hängt bei der Familie Grinbaum miteinander zusammen: das Nazi-Massaker an den Juden von Odessa 1941, dem der Großvater wie durch ein Wunder entkommt, ein KGB-Giftanschlag, der dem Vater des Erzählers gilt und die Ehefrau trifft, die zionistischen Träumereien des Vaters, der am Ende mit seiner Familie im Hamburger Grindelviertel strandet, wo nichts mehr an die jüdische Vergangenheit des Stadtteils erinnert – und wo er aufhört seine Frau zu lieben, um sie wegen einer Deutschen zu verlassen.
Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 17.08.2023 – kopiert von perlentaucher.de
Ein Meisterwerk ist Maxim Billers neuer Roman für Rezensentin Marlene Knobloch, soviel verrät bereits der Teaser zu seiner Kritik. Der äußerst produktive Literat nimmt ja im Allgemeinen selten ein Blatt vor dem Mund, meint die Rezensentin; das neue Buch allerdings ist für sie der beste Beweis dafür, dass Biller keineswegs als lautsprecherischer Polemiker abgestempelt werden darf. Es ist vielmehr gerade das leise und zarte, was Knobloch an der Geschichte begeistert. Über alle Maßen angetan ist sie insbesondere vom Romaneinstieg. Schlichtweg großartig findet sie, wie Biller auf wenigen Seiten eine vielschichtige und historisch beziehungsweise Familiensaga andeutet, die im Folgenden in leisen Tönen und mit viel Gespür für die Figuren aufgefaltet werde. Erzählt wird aus der Perspektive von Mischa, der meist nicht viel mehr macht, als auf dem Sofa zu liegen und über seine Mutter zu reflektieren. Diese Mutter, Aljona Grinbaum, ist mit ihrer von Migration und politischer Verfolgung geprägten Biografie das eigentliche Zentrum des Buchs. Nie verläuft sich der Roman, führt die durchweg begeisterte Rezensentin aus, in der durchaus komplexen historischen Gemengelage – und zwar, weil es Biller gelinge, all die diversen narrativen Stränge, die unter anderem zum KGB, zu den Nazis und nach Israel führen, stets auf die zentrale Mutter-Sohn-Konstellation zurück zu binden.
Facts:
English title: N/A
Original title: Mama Odessa
Published: 2023