by Uwe Timm
KLAPPENTEXT
Deutschland Ende April 1945: Während regional noch der Krieg tobt, bricht der junge amerikanische Offizier Michael Hansen von Frankfurt nach Bayern auf und bezieht Quartier am Ammersee. In einem Münchner Antiquariat findet er einen früheren Weggefährten des Eugenikers Alfred Ploetz, den Dissidenten Wagner. Von ihm lässt er sich die Geschichte einer Freundschaft erzählen, die Ende des 19. Jahrhunderts in Breslau begann und die beiden Studenten über Zürich bis nach Amerika führte – und mitten hinein in die Auseinandersetzung um die beste gesellschaftliche Ordnung: hier ein Sozialismus nach Marx, dort das utopische Projekt der Gemeinde Ikarien, die vom französischen Revolutionär Étienne Cabet in Amerika gegründet wurde. Hansen kommt durch die Lebensbeichte Wagners dem faustischen Pakt auf die Spur, den der Rassenhygieniker Ploetz mit den Nazis einging, und dem ganz anderen Schicksal, das den Antiquar wegen seiner widerständigen Haltung ereilte. Seine Reise durch das materiell und moralisch zerstörte Land lässt Hansen Zeuge eines Aufbruchs werden, der die deutsche Geschichte prägen sollte. Zugleich wird sie zu einer éducation sentimentale – auch in der Liebe werden ihm einige Lektionen erteilt.
So wie Uwe Timm in seinem neuen Roman “Ikarien” von Rassentheorie und Eugenik erzählt, kann Rezensentin Maike Albath das Thema zumindest über 500 Seiten hinweg ertragen. Denn Timm entfaltet die Geschichte um den Großvater seiner Ehefrau, Alfred Ploetz, der als Begründer der Eugenik gilt, aus der Perspektive eines Weggefährten, der im Gespräch mit einem amerikanischen Besatzungsoffizier von seiner Freundschaft zu Ploetz und den Ursprüngen der Eugenik berichtet, erzählt die Kritikerin. Wie der Autor verschiedene Handlungsstränge, Schauplätze und Textsorten vernetzt, dabei immer wieder Liebesgeschichten und Landschaftsbilder mit einflicht, hat Albath gut gefallen.
Facts:
English title: N/A
Original title: Ikarien
Published: 2017